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Ehrenamt in der Krise oder immer noch Stütze der Gesellschaft? 

Was hat sich in den letzten Jahren getan im Ehrenamt? Wollen sich heute überhaupt noch Menschen engagieren - und wenn ja, wo?

TreeImage.
Gabriele Müller
Community Collaborator (Silver Member).

Ohne sie würde vieles gar nicht gehen. Sie engagieren sich bei Sportvereinen, im Tierschutz, bei der Feuerwehr, in der Flüchtlingshilfe – und in der Weiterbildung. Ehrenamtler und Ehrenamtlerinnen tragen einen großen Teil dazu bei, dass diese Gesellschaft funktioniert. Aber gilt das heute noch wie vor fünf Jahren? Und was hat sich verändert? 

Für Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist das Ehrenamt das Entscheidende für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. „Man kann das Ehrenamt nicht hoch genug schätzen. Es ist ja nicht irgendetwas, sondern das ist etwas, was Menschen neben ihrer alltäglichen Arbeit und ihrer Familie organisieren.“ Anlässlich des Internationalen Tags des Ehrenamts am 5. Dezember hat das Ministerium deshalb die Kampagne "Ehre, wem Ehre gebührt" gestartet.

Alle fünf Jahre erscheint der „Freiwilligensurveydes Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend. Laut dem letzten, dem fünften Survey von 2019, engagieren sich knapp 30 Millionen Menschen hierzulande ehrenamtlich. Das waren 39,7 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland. Zwischen 2014 und 2019 ist die Engagementquote stabil geblieben und insgesamt in den letzten zwanzig Jahren gestiegen.

Grafik aus dem Freiwilligensurvey.

Dabei sind es laut Statista ungefähr gleichviel Männer wie Frauen, aber auffällig viel mehr Menschen älter als 50 und sogar älter als 70 Jahre, die eine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben

Was hat die Pandemie verändert?

Es gibt ein Diskussionspapier von Zivilgesellschaft in Zahlen im Stifterverband (ZiviZ), das sich ausdrücklich mit den Folgen der Pandemie auf das ehrenamtliche Engagement in Deutschland beschäftigt. Danach mobilisierte der erste Lockdown eine Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft. Ab Mitte des Jahres 2020 aber gab es einen deutlichen Rückgang des Engagements, wie rund ein Drittel von befragten Organisationen und Verbänden bestätigte. 

Ob sich die Zahlen der Ehrenamtler – auch bedingt durch die Pandemie – langfristig verändert haben, ist bisher nicht wirklich abzusehen, denn der nächste Freiwilligensurvey erscheint erst 2024. Im Bericht von 2019 gibt es jedenfalls noch über 25.000 Tätigkeitsangaben der freiwillig Engagierten. „Freiwilliges Engagement wird danach anteilig am häufigsten in den Bereichen Sport und Bewegung, Kultur und Musik oder im sozialen Bereich ausgeübt“, heißt es. Besonders viele Menschen, 13,5 Prozent der Bevölkerung, engagierten sich damals im Bereich Sport und Bewegung, gefolgt von Kultur und Musik, Schule und Kindergarten und dem sozialen Bereich. „Für Umwelt, Natur- oder Tierschutz engagierten sich 4,1 Prozent der Menschen ab 14 Jahren in Deutschland.“

Hilfe für die Helfenden

Nachwuchsgewinnung und -bindung ist für viele Organisationen, die mit Ehrenamtlichen arbeiten, ein zentrales Thema. Deshalb greift das auch die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt auf, die von drei Bundesministerien gefördert wird. Sie bietet Service zur „Organisation bürgerschaftlichen Engagements“ oder die Etablierung von „Best-Practice-Beispielen“. In strukturschwachen und ländlichen Regionen ist es oft besonders wichtig, „ehrenamtliche Strukturen aufzubauen und zu erhalten“, heißt es. Ziel der Stiftung ist es, insbesondere in diesen Landesteilen das Ehrenamt nachhaltig zu stärken – in Abstimmung mit bereits bestehenden Bundesprogrammen.

Es gibt eine Hotline und eine kostenlose Beratung zu Fördermitteln und Fundraising sowie rechtlichen Fragen oder Versicherungen. Die eigenen Förderprogramme haben in den drei Jahren des Bestehens der DSEE über 8.000 Vereine und andere gemeinnützige Organisationen mit über 90 Millionen Euro gefördert. Auf Digitalkonferenzen und bei den „Akademien”, die vor Ort in Neustrelitz stattfinden, möchte die DSEE Impulse für Vernetzung, Wissenstransfer und die Entwicklung von Innovationen geben.

In den Seminarreihen unter dem Hashtag #DSEEerklärt können sich etwa interessierte Ehrenamtliche über Themen informieren, die für das Vereinsleben wichtig sind. Das reicht von Buchhaltung bis Digitalisierung und Fundraising bis Steuern. Oder Vereine können Know-how dazu gewinnen, wie andere engagierte Menschen zu begeistern sind.

Bei der Stiftung liegen keine Erkenntnisse vor, dass ehrenamtliches Engagement durch die Zeit der Pandemie grundsätzlich zurückgegangen ist. Wohl aber scheint es Tendenzen zu geben, dass bestimmte Bereiche, wie der Sport gelitten haben, während andere Engagementfelder zunehmend attraktiver werden.

Für das Thema Umwelt und Klima beispielsweise engagiert sich eine Zielgruppe, die die Stiftung bewusst adressiert: Jugendliche und junge Erwachsene. Mit „Futur E“ – einem Qualifizierungsprogramm für junge Erwachsene auf ihrem Weg in ehrenamtliche Leitungspositionen unterstützt sie deren fachliche und persönliche Entwicklung.

Professionalisierung im Ehrenamt

Einen ähnlichen Gedanken verfolgt auch das vhs-Ehrenamtsportal des Deutschen Volkshochschul-Verbandes, das sich auf Grundbildung und Integration konzentriert. Seit 2018 ist das Portal online und wird im Rahmen der Alpha Dekade 2016-2026 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. „Wir haben uns damals die Frage gestellt, was Ehrenamtliche brauchen – welches Wissen, welche Materialien, welche Unterstützung“, sagt Aurora Distefano vom Deutschen Volkshochschul-Verband. „Wir haben festgestellt, dass unter anderem die Vernetzung mit anderen Akteuren und Experten sehr gefragt war – aber auch der Zugriff auf geeignete Lernmaterialien.“ Denn nicht jeder, der helfen möchte, bringt notwendiges Wissen um Herangehensweise und Umgang mit den zu Betreuenden mit. Unterstützung und Weiterbildung sind wichtig, um gute Arbeit leisten zu können, aber auch, um Überforderung der ehrenamtlich Mitarbeitenden zu verhindern.

„Über die Jahre haben wir in unserem Portal ein breites Angebot an Hilfen zusammengestellt“, so Aurora Distefano, Projektleiterin des vhs-Ehrenamtsportals. Drei große Bereiche, „Wissen“, „Lernmaterialien“ und „Austausch“ bieten Unterstützung für viele Fragen und Probleme des ehrenamtlichen Alltags, gebündelt in Themenwelten. „Die heißen etwa „Multiplikator*innen und Netzwerkpartner in der Grundbildung“, „Zusammenarbeit mit Ehrenamtsagenturen“ oder „Informelle Lernsettings planen“.

Mit der Hilfe von Videos kommen Akteure selbst, aber auch Fachleute zu Wort, die dazu beitragen wollen, ehrenamtlichen Helfern Wege aufzuzeigen, aber auch konkrete Tipps an die Hand zu geben. „Uns ist es wichtig, dass unsere Übungsblätter und andere Lernmaterialien als „Open Educational Resources“ veröffentlicht sind. Das bedeutet eine freie Verwendbarkeit und Rechtssicherheit.“

Qualität in der Weiterbildung

Dahinter steht aber auch der Anspruch auf Qualität – denn Informationen und Materialien werden geprüft, damit sich die Ehrenamtlichen auf ihr Engagement konzentrieren können. „Auch im Ehrenamt kann es zu Problemen und Frustrationen kommen, da versuchen wir zu unterstützen, zu begleiten und Erfolge zu vermitteln“, sagt Aurora Distefano. Deshalb gibt es „geprüftes Wissen“, auf das engagierte Helfer zugreifen können, aber auch Schulungsangebote für Haupt- und Ehrenamtliche. Da geht es sowohl um Fachthemen als auch um Organisation des Ehrenamts.

Über die Jahre ist das Angebot immer breiter und umfangreicher geworden und es gibt auch einen großen Bereich zum Austausch mit- und untereinander. Auch der ist wichtig, um die Motivation der Helferinnen und Helfer zu erhalten und zu stärken. „Wenn im kommenden Jahr der nächste Freiwilligensurvey erscheint, werden wir die genauen Zahlen haben“, bleibt Aurora Distefano abwartend. „Aber wir haben nicht den Eindruck, dass sich weniger Menschen engagieren als etwa vor der Pandemie - auch wenn die Akquise Ehrenamtlicher immer ein Thema ist“. 

Bestenfalls habe sich vielleicht die Art der Nutzung von Hilfen und das Engagement etwas verlagert, so Distefano. „Die Digitalisierung macht Fortschritte und dementsprechend passiert viel online – auch ältere Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, sind heute fitter mit digitalen Medien.“

Mehr als nur das klassische Kursformat

Wenn es um ehrenamtliche Arbeit mit Erwachsenen geht, nehmen die Kirchen traditionell eine wichtige Rolle ein. Sei es bei der Integration von Geflüchteten oder der Hilfe für bestimmte soziale Gruppen – das kirchliche Angebot ist ein wichtiger Baustein. Doris Brandt ist Bildungsreferentin und Synodalbeauftragte für Inklusion im Kirchenkreis Bochum. Sie ist Ansprechpartnerin für viele Fragen von 45 ehrenamtlich engagierten Menschen. Das sind Leiter und Leiterinnen von Gruppen in Kirchengemeinden, aber auch von Frauentreffs. „Ich helfe bei vielen Belangen, vor allem, wenn es um organisatorische Unterstützung, Fördermittel oder Öffentlichkeitsarbeit geht“, schildert Doris Brandt ihre Tätigkeit. Zeitlich befristete Projekte mit Partner-Organisationen spielen auch eine immer größer werdende Rolle.

In ihrer Funktion lernt sie viele Helfer kennen. Den Begriff „Laien“ will sie so nicht stehen lassen. „Es sind Menschen dabei, die ihr Berufsleben schon ganz oder fast hinter sich haben und ihre berufliche Kompetenz einbringen, um etwas für die Gemeinschaft zu tun.“ Sei es, dass ein Professor im Ruhestand Studienreisen begleitet oder eine ehemalige Lehrerin einen Sprachlehrer dabei unterstützt, eine Gruppe von gehörlosen geflüchteten Menschen zu unterrichten und ihnen die deutsche Schriftsprache zu vermitteln. Es sind aber auch Menschen dabei, die selbst noch mitten im Berufsleben stehen. „Ich denke etwa an einen Schneider, der selbst gehörlos ist und ein inklusiven Näh-Treff für Hörende und Gehörlose in DGS leitet“, erzählt Doris Brandt. Junge Menschen dagegen begeistern sich auch ihrer Erfahrung nach häufiger für Themen, die mit Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit zu tun haben.

Porträt Doris Brandt.

„Ehrenamt kann sehr sinnstiftend sein. Es bringt wunderbare und bereichernde Kontakte mit sich und es sollte nicht schwer und belastend sein“, so das Fazit von Doris Brandt. „Aber das funktioniert dauerhaft nur dann gut, wenn es auch professionelle Begleitung gibt.“ Zum einen ist Beratung wichtig, damit „jeder und jede den richtigen Einsatzbereich für sich findet.“ Zum anderen sollte es bei der Arbeit immer auch passgenaue Begleitung für Ehrenamtliche geben, seien es Gespräche, Schulungen oder Supervisionen. „In unserem Projekt 'Smarte Kumpel' haben wir unseren ehrenamtlichen Mitarbeitenden bewusst Grenzen beim zeitlichen Aufwand gesetzt, um sie nicht zu überfordern.“ Die Bildungsreferentin hält zudem ein funktionierendes Beschwerdemanagement für wichtig. „Wer ehrenamtlich arbeitet, muss wissen, dass seine Anliegen und Vorschläge ernst genommen und auch umgesetzt werden.“

Krise im Ehrenamt? Das kann auch Doris Brandt so nicht bestätigen. Gleichwohl sieht sie neue und andere Herausforderungen. „Beim Thema Erwachsenenbildung sind neue und innovative Ideen gefragt, denn es gibt mehr als nur das klassische Kursformat.“ Da das Lernen sich geändert hat, „ist auch ein neuer Umgang mit Methoden und Mitteln gefragt. Eine große Freiheit in der Vermittlung erfordert auch neue Formate und Kursleiter- und ehrenamtliche Begleiter und Begleiterinnen, die das mittragen.“   


Bildnachweise 

Titelfoto: Pixabay | Grafik: Freiwilligensurvey 2019 | Doris Brandt: Privat 

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